Verbindlichkeit Aufwandschätzungen im agilen Projektmanagement

Verbindlichkeit Aufwandschätzungen im agilen Projektmanagement

Einleitung
Die Digitalisierung hat IT-Projekte komplexer und dynamischer gemacht. Um auf diese Veränderungen zu reagieren, setzen viele Unternehmen zunehmend auf agile Methoden. Trotz ihrer Flexibilität weisen agile Projekte eine hohe Verzögerungsrate auf, häufig aufgrund ungenauer Aufwandsschätzungen. Gerade bei der Schweizerischen Post CH AG fehlt es in den DevOps-Teams an einheitlichen Schätzvorgaben, was zu Planungsunsicherheiten führt. Die Wahl der richtigen Methode ist entscheidend für Projekterfolg, Budgettreue und Zeitplanung. Diese Arbeit beleuchtet die Relevanz agiler Aufwandschätzungen und legt den Grundstein für eine praxisnahe Unterstützung innerhalb eines komplexen Konzernumfelds.

Ziele
Ziel dieser Arbeit ist es, agile Aufwandschätzungsmethoden hinsichtlich ihrer Wirksamkeit, Anwendbarkeit und kontextuellen Eignung zu analysieren. Auf Basis theoretischer Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen aus Experteninterviews wird eine Entscheidungshilfe entwickelt, die DevOps-Teams der Schweizerischen Post CH AG bei der Auswahl passender Schätzmethoden unterstützt. Dabei stehen Praxistauglichkeit, Anpassungsfähigkeit und Planbarkeit im Fokus.

Methodik
Die Arbeit kombiniert eine systematische Literaturrecherche mit qualitativer Forschung. Zunächst wurden wissenschaftliche Publikationen zu agilen Aufwandschätzungsmethoden analysiert, um ein theoretisches Fundament zu schaffen. Ergänzend wurden dreizehn halbstrukturierte Experteninterviews mit Fachpersonen aus sieben Schweizer Grossunternehmen geführt. Die Auswahl erfolgte gezielt mittels Purposeful Sampling. Die Auswertung der Transkripte erfolgte durch ein deduktiv-induktives Codierverfahren nach den Prinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse. Ziel war es, zentrale Muster, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in der praktischen Anwendung zu identifizieren und daraus fundierte Inhalte für den Praxisleitfaden sowie Handlungsempfehlungen für die Schweizerische Post CH AG abzuleiten.

Ergebnisse
 

Die Ergebnisse der Arbeit zeigen, dass in der Praxis sechs agile Aufwandschätzungsmethoden tatsächlich zur Anwendung kommen. Während Planning Poker, Story Points und T-Shirt Sizing weit verbreitet sind, werden Ideal Days und Bucket Systems kaum genutzt. In den Interviews wird deutlich, dass die Wirksamkeit einer Methode weniger über exakte Abweichungsmessungen definiert wird, sondern vielmehr über Teamverständnis, Kommunikation und Planungssicherheit. Agile Schätzungen dienen in der Praxis primär als Mittel zur Verständigung – nicht als exakte Prognose.

Die Diskussion verdeutlicht, dass es keine allgemeingültige Methode gibt. Vielmehr hängt die Wahl stark vom Kontext ab, insbesondere von der Planungsstufe, der Teamreife und dem Detaillierungsgrad der Anforderungen. Einfache Verfahren wie T-Shirt Sizing eignen sich für frühe Phasen und heterogene Teams, während strukturierte Methoden wie Three Point Estimation eher in stabilen und erfahrenen Teams eingesetzt werden. Gleichzeitig stellt die Vermischung relativer und absoluter Schätzwerte eine häufige Fehlerquelle dar und sollte vermieden werden.

Auf dieser Grundlage wurde eine praxisorientierte Entscheidungshilfe entwickelt, die Teams befähigt, kontextgerechte Methoden zu wählen. Durch eine strukturierte Bewertung nach Kriterien wie Genauigkeit, Akzeptanz und Flexibilität lassen sich geeignete Methoden transparent ermitteln. Ergänzend werden zentrale Handlungsempfehlungen abgeleitet, etwa zur Berücksichtigung von Softfaktoren oder zur Förderung des internen Erfahrungsaustauschs.

Die Forschungsfragen werden auf dieser Basis fundiert beantwortet: Es zeigt sich, dass keine Methode universell überlegen ist, sondern stets an Zielsetzung, Umfeld und Reifegrad angepasst werden muss. Für die Schweizerische Post CH AG empfiehlt sich ein flexibler Umgang mit den Methoden, unterstützt durch klare Leitlinien und die Stärkung der Zusammenarbeit mit dem Business. Agile Aufwandschätzungen bleiben auch künftig ein zentrales Instrument – nicht wegen ihrer Exaktheit, sondern wegen ihres Beitrags zur Orientierung und Priorisierung.

Ergänzt wird das Ganze von praxisnahen Handlungsempfehlungen: Keine starren Vorgaben, keine Mischformen aus relativen und absoluten Schätzungen – dafür Fokus auf Verständigung, Lernkultur und kontextgerechtes Vorgehen. So zeigt die Arbeit nicht nur, worauf es wirklich ankommt, sondern liefert Teams der Schweizerischen Post CH AG ein konkretes Werkzeug für bessere, agilere Entscheidungen.