Bangladeschs bevorstehender Ausstieg aus den LDCs 2026 – eine Untersuchung des Exportbooms von 1990 - 2022
Kontext
Gemäss den Vereinten Nationen gehören zum jetzigen Zeitpunkt 45 Länder zu den Least-Developed-Countries. Bangladesch hat als eines dieser Länder jedoch einen Weg gefunden, um die eigene unterentwickelte Volkswirtschaft anzukurbeln und den LDC-Status 2026 zu überwinden. Ein Motor des Wirtschaftswachstums in Bangladesch war in jüngster Zeit der Exportsektor, welcher einen positiven und signifikanten Einfluss auf den volkswirtschaftlichen Aufschwung hatte. Dies verdeutlicht die Entwicklung des Exportvolumens in der Zeit von 1990 – 2022. Während das Exportvolumen im Jahr 1990 noch 1.87 Milliarden USD betrug, waren es im Jahr 2022 bereits 59.28 Milliarden USD. Der führende Sektor von Bangladeschs Wirtschaft und Exportbranche ist die Bekleidungsindustrie. Bei der Produktion dieser Kleidungsartikel ist Bangladesch weltweit mit einem Anteil von 6.5% hinter China der zweitgrösste Bekleidungslieferant. Durch die theoretische und praktische Aufarbeitung dieses Wandels, wurden in dieser Bachelorarbeit die massgeblichen Einflussfaktoren identifiziert, welche den prosperierenden Exportsektor von Bangladesch in den vergangenen drei Jahrzehnten angetrieben haben. Aus den identifizierten Erfolgsfaktoren können in weiterführenden Forschungen, Lehren für andere unterentwickelte Länder abgeleitet werden, damit auch diese ihren Exportsektor stimulieren können und ihrem Ziel, der Reduktion der Entwicklungsherausforderungen, einen Schritt näherkommen.
Zielsetzung
Die Zielsetzung der Arbeit war es, den wirtschaftlichen Wandel in Bangladeschs Exportsektor mithilfe von etablierten Entwicklungstheorien aufzuarbeiten, um die Frage zu beantworten, welche Faktoren diesen Exportaufschwung vorangetrieben oder zumindest massgeblich begünstigt haben. Dabei wurde der Untersuchungszeitraum auf die Jahre von 1990 - 2022 beschränkt, da in dieser Zeit ein rasantes Exportwachstum mit einem explosiven Anstieg des Exportvolumens erreicht wurde. Diese Untersuchung dient schlussendlich dem Ziel, aus dem Blickwinkel des Exportsektors zu erklären, wie Bangladesch unter den unterentwickelten Ländern ein solches Erfolgsmodell geworden ist und vermeintlich reichere Nachbarländer in wirtschaftlichen Bereichen überholt hat. Die aus dieser Zielsetzung abgeleitete Forschungsfrage lautete wie folgt: Welche endogenen und exogenen Einflussfaktoren haben das bemerkenswerte Wachstum der Exporte Bangladeschs in den Jahren von 1990 bis 2022 massgeblich beeinflusst? In dieser Forschungsfrage wurden zwei verschiedene Ebenen integriert. Einerseits die Frage nach den Einflussfaktoren, welche das tatsächliche Exportwachstum begünstigt haben und andererseits die Aufteilung dieser Faktoren in endogen und exogen. Diese Aufteilung bezieht sich auf die zwei etabliertesten Entwicklungstheorien, wobei die Modernisierungstheorie die Gründe der Unterentwicklung in endogenen Ursachen sieht, während die Dependenztheorie exogene Faktoren für diesen Zustand der Unterentwicklung verantwortlich macht. Die vorliegende Einzelfallstudie hat somit neben den sich herauskristallisierenden Erfolgsfaktoren ebenfalls die Frage beantwortet, inwiefern die theoretischen Erklärungen aus den Entwicklungstheorien ein modernes Phänomen, wie dieses, erklären können.
Methodisches Vorgehen
Für die Einzelfallstudie dieser Arbeit wurde der methodische Ansatz der Kongruenzanalyse gewählt. Dies aus dem Grund, weil sich die Kongruenzanalyse optimal dazu eignete, die Forschungsfrage zu operationalisieren. Die Kongruenzanalyse war prädestiniert für eine Einzelfallstudie wie diese, deren Relevanz für ein breiteres Phänomen (die Entwicklung der Least-Developed-Countries) es rechtfertigt, sie als Einzelfall zu behandeln und nicht vergleichend mit anderen zu untersuchen. In der angewendeten Kongruenzanalyse wurde eine Reihe von Erwartungen zum konkreten Fall Bangladesch aus den beiden etabliertesten Entwicklungstheorien abgeleitet und anhand von empirischen Beobachtungen geprüft. In einem weiteren Schritt wurden dann diskutiert, ob diese Erwartungen mit der Evidenz übereinstimmen und was die unterschiedliche Kongruenz zwischen den Erwartungen und der empirischen Evidenz für die Anerkennung dieser Theorien im wissenschaftlichen Diskurs bedeutet.
Datenerhebung
Zur qualitativen Datenerhebung wurden Expertinnen und Experten aus der Schweiz und Bangladesch angefragt. Dies hatte zur Folge dass, dass die Interviews mit zwei Schweizern und zwei Bangladeschis durchgeführt wurden. Bei der Auswahl der Interviewpartner wurde ein grosser Wert darauf gelegt, dass möglichst viele verschiedene Blickwinkel in die Datenerhebung einbezogen werden konnten, damit eine aussagekräftige und repräsentative Datengrundlage entstehen konnte. Durch die Zusammensetzung der Interviewpartner konnte Einsicht in den Exportsektor Bangladeschs gewonnen werden durch einen ehemaligen Schweizer-Botschafter in Dhaka, einen einheimischen spezialisierten Wirtschaftsprofessoren der East-West University Dhaka, einen Politikanalysten aus der Schweiz und einen angesehenen Journalisten aus Dhaka.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der qualitativen Datenerhebung bestätigten vier der zwölf hergeleiteten Erwartungen aus den beiden untersuchten Entwicklungstheorien. Diese vier Erwartungen (1. Industrialisierung & zunehmende Bedeutung Industriesektor, 2. Staatliche Ausbildungsprogramme, 3. Infrastrukturinvestitionen und 4. Adaptierung von ausländischer Technologie & Knowhow) stammen alle aus der Modernisierungstheorie. Aus der Dependenztheorie stellte sich keine der geprüften Erwartungen als eindeutigen massgeblichen Einflussfaktor des Exportwachstums von Bangladesch heraus. Die Einflussfaktoren, welche das bemerkenswerte Wachstum der Exporte Bangladeschs in den Jahren von 1990 bis 2022 entscheidend beeinflusst haben, waren demzufolge alle endogene Ursachen. Obwohl nach der Erlangung der Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan 1971 eine Dissoziation und eine Phase
einer autozentrierten Entwicklung denkbar gewesen wäre, hat diese nicht stattgefunden. Stattdessen nutzte das Land in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren ein geopolitisches Szenario aus, in welchem Bangladesch, angetrieben durch die Globalisierung, Sri Lanka als grössten regionalen Bekleidungshersteller ablöste. Die Bekleidungsindustrie, die Modernisierung und Industrialisierung sowie auch der Ausbau der internationalen Handelsbeziehungen, kurbelten den Exportsektor Bangladeschs signifikant an.