Der Einfluss des Phänomens "Fear of Missing Out" auf das Kaufverhalten bei zeitlich begrenzten Angeboten.

Kontext & Problemstellung
In einer zunehmend digitalen Konsumlandschaft setzen Unternehmen vermehrt auf psychologische Dringlichkeitsstrategien, um die Aufmerksamkeit von Konsumierenden zu gewinnen. Das Phänomen „Fear of Missing Out“ (FOMO), also die Angst, lohnende Erlebnisse zu verpassen, nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Besonders zeitlich begrenzte Aktionen wie Flash-Sales, Event-Ticket-Kampagnen oder spezielle Rabattperioden nutzen FOMO-Reize, um Spontankäufe zu fördern und Kaufentscheidungen zu beschleunigen. Die bisherige Forschung hat diese beiden Mechanismen jedoch weitgehend getrennt untersucht: Einerseits die Wirkung von FOMO-Appellen, andererseits die Effekte von Limited-Time-Offers (LTO). In der Praxis werden sie jedoch häufig gleichzeitig eingesetzt, ohne dass klar ist, wie diese Kombination im Kopf der Konsumierenden wirkt und ob sie sich gegenseitig verstärkt oder im Gegenteil zu Reizüberflutung und Skepsis führen könnte.
Zielsetzungen / Aufgaben
Ziel dieser Arbeit ist es, zunächst die Wirkmechanismen von FOMO-Appellen im Vergleich zu klassischen Zeitdruck-Botschaften bei Limited-Time Offers (LTO) zu identifizieren. Im Rahmen eines experimentellen Ansatzes wird untersucht, wie sich emotionale FOMO-Reize und kognitiver Zeitdruck sowohl einzeln als auch in Kombination auf die Kaufintention und Impulskäufe auswirken. Zudem wird analysiert, inwiefern eine ausgeprägte dispositionale FOMO-Neigung („Trait-FOMO“) das impulsive Kaufverhalten und schlussendlich auch die Kaufintention beeinflusst. Abschliessend werden aus den gewonnenen Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen für marketingstrategische Anwendungen abgeleitet.
Methoden
Zur Beantwortung dieser Fragestellungen wurde ein randomisiertes Online-Experiment mit einem 2×2-Zwischensubjektdesign realisiert, in dem 123 zufällig zugeteilte Teilnehmende vier Versuchsbedingungen (nur FOMO-Appell, nur LTO-Appell, Kombination FOMO + LTO, Kontrollbedingung ohne Appell) durchliefen. Die Messung der Kaufintention und Impulskaufneigung erfolgte mittels etablierter Skalen, ergänzt um eine Trait-FOMO-Skala sowie Einschätzungen zu erwarteter Begeisterung und möglicher Kaufreue. Die Auswertung der Daten erfolgte über Regressionsmodelle und Korrelationsanalysen, um die formulierten Hypothesen differenziert prüfen zu können.
Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Studie belegen, dass sowohl FOMO-Appelle als auch zeitlich begrenzte Angebote (LTO-Appelle) jeweils eine messbar positive Wirkung auf die Kaufintention haben. Sobald Konsumierende mit einem dieser Reize konfrontiert werden, steigt ihre Bereitschaft, ein Produkt zu erwerben, signifikant im Vergleich zu einer Kontrollbedingung ohne Appelle. Die kombinierte Anwendung beider Appellformen hingegen führte in diesem Experiment zu keiner statistisch signifikanten Verstärkung: Die Daten deuten vielmehr an, dass parallel geschaltete FOMO- und LTO-Reize bei Konsumierenden in einigen Fällen zu Reizüberflutung und Skepsis führen können. Da die Untersuchung jedoch auf einer vergleichsweise kleinen, textbasierten Stichprobe beruht, bleibt diese überraschende Beobachtung noch vorläufig. Für eine belastbare Bestätigung wäre eine Nachfolgestudie nötig, die reale Kampagnen-Settings nutzt und mit einer grösseren, heterogeneren Teilnehmerschaft arbeitet.
Praktische Implikationen
Aus diesen Erkenntnissen lassen sich klare Handlungsempfehlungen für die Marketingpraxis ableiten: Expertinnen und Experten sollten bewusst einen Kampagnenfokus wählen, anstatt FOMO- und LTO-Reize wahllos zu kombinieren. FOMO-Appelle eigenen sich hervorragend für die Promotion von Events, Community-Aktionen oder Produktlaunches, bei denen das soziale Miteinander und die Angst, Teil einer begehrten Erfahrung zu sein, betont werden sollen. LTO-Appelle sind dagegen ideal, wenn es darum geht, kurzfristig Lagerbestände abzubauen oder den Abverkauf einzelner Produktreihen zu forcieren. Indem Marken jeweils nur eine dieser Strategien in den Vordergrund rücken, können sie die jeweiligen psychologischen Mechanismen optimal nutzen und gleichzeitig das Risiko einer Reizüberflutung minimieren.