Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft: Herausforderungen studierender Eltern und Handlungsempfehlungen für Hochschulen im Kanton Bern

Die Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft stellt eine zentrale Herausforderung im Hochschulkontext dar, die in der Schweiz bislang kaum wissenschaftlich untersucht wurde. Während in Deutschland bereits umfassende Studien zur Situation studierender Eltern vorliegen, fehlen es hierzulande an fundierten Analysen und einheitlichen Unterstützungsstrukturen. Dabei sind studierende Eltern mit komplexen Mehrfachbelastungen konfrontiert, die sich aus dem Rollenkonflikt zwischen akademischen Anforderungen, Care-Verpflichtungen und oft auch Erwerbstätigkeit ergeben.
Theoretische Grundlagen
Die Untersuchung basiert auf drei zentralen theoretischen Konzepten:
Das Study-Life-Balance-Konzept beschreibt die Herausforderung, die Balance zwischen Studium, Familie und Erwerbsarbeit zu gewährleisten, wobei studierende Eltern ihre begrenzten Ressourcen auf drei kaum reduzierbare Lebensbereiche verteilen müssen.
Chancengleichheit und Intersektionalität verdeutlichen, wie strukturelle Benachteiligungen entstehen, wenn sich verschiedene Ungleichheitsdimensionen wie Geschlecht, Alter und familiäre Situation überschneiden und faire Bildungschancen beeinträchtigen.
Diversity-Management-Ansätze zielen darauf ab, die vielfältigen Lebensrealitäten der Studierendenschaft anzuerkennen und institutionelle Strukturen entsprechend anzupassen.
Zielsetzung
Ziel der Arbeit war es, die spezifischen Herausforderungen studierender Eltern an Berner Hochschulen zu identifizieren und daraus praxisorientierte Handlungsempfehlungen für eine familienfreundlichere Hochschulgestaltung abzuleiten. Dabei wurde untersucht, wie bestehende Unterstützungsstrukturen wahrgenommen werden und welche Diskrepanzen zwischen Angebot und tatsächlicher Nutzung bestehen. Die zentrale Forschungsfrage lautete:
Mit welchen Massnahmen und Strategien können die Hochschulen im Kanton Bern zur Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft beitragen?
Methodik
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden umfassende theoretische Grundlagen erarbeitet sowie zehn qualitative Leitfadeninterviews geführt, mit studierenden Eltern und Fachpersonen aus den Bereichen Chancengleichheit und Diversity der drei grössten Berner Hochschulen (Universität Bern, BFH und PHBern). Die Interviews wurden mit MAXQDA ausgewertet und durch eine Vergleichsanalyse der institutionellen Unterstützungsstrukturen sowie einen Exkurs zum schwedischen Hochschulsystem als internationales Referenzmodell ergänzt.
Ergebnisse
Die Untersuchung zeigt, dass studierende Eltern primär mit vier zentralen Herausforderungen konfrontiert sind: zeitlich-organisatorische Belastungen durch starre Präsenzpflichten, finanzielle Mehrbelastungen, mangelnde institutionelle Sichtbarkeit von Elternschaft sowie psychosoziale Belastungen durch die Mehrfachrolle. Besonders problematisch wirken sich unflexible Studienstrukturen und unvorhersehbare Situationen wie Krankheitsfälle der Kinder aus. Die Analyse zeigt zudem erhebliche Unterschiede zwischen den Hochschulen: Während die Universität Bern bereits umfassende Unterstützungsstrukturen implementiert hat, bestehen insbesondere an der BFH Wirtschaft Lücken. Eine auffällige Diskrepanz zeigt sich zwischen vorhandenen Angeboten und deren Wahrnehmung, viele studierende Eltern kennen bestehende Unterstützungsstrukturen bzw. -angebote nicht.
Fazit
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Vereinbarkeit von Studium und Elternschaft nicht als individuelle, sondern als institutionelle Verantwortung verstanden werden muss. Ein erfolgreicher Wandel erfordert Massnahmen auf organisatorischer, finanzieller, struktureller und kultureller Ebene.
Die entwickelten Handlungsempfehlungen zeigen konkrete Wege auf, wie Berner Hochschulen zu mehr Chancengleichheit beitragen und gleichzeitig ihre Attraktivität für diverse Studierendengruppen steigern können.