Umsatzbeteiligung in Niedriglohnbranchen – Ein Modell für mehr Gleichheit und wirtschaftlichen Erfolg?

Ausgangslage: Druck auf die Branche, Suche nach Lösungen
Die Schweizer Gastronomiebranche steht seit Jahren unter Druck: Hohe Belastung, tiefe Löhne und Personalmangel prägen den Alltag vieler Angestellter. Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung der Gäste – sowohl an Servicequalität als auch an Erlebnis. Inmitten dieser Herausforderungen stellt sich die Frage: Wie lassen sich Motivation, Leistung und gerechte Entlohnung besser miteinander verbinden?
Fokus der Arbeit & Forschungsfrage
Genau hier setzt meine Bachelorarbeit an. Ich habe untersucht, wie umsatzabhängige Vergütungsmodelle – also Löhne, die sich (teilweise oder vollständig) am erzielten Umsatz orientieren – in Niedriglohnbranchen wie der Gastronomie sozial gerecht und wirtschaftlich tragfähig gestaltet werden können.
Die zentrale Forschungsfrage lautete:
„Wie können Umsatzbeteiligungs-Modelle in Niedriglohnbranchen der Schweiz erfolgreich implementiert werden, um Einkommensungleichheit zu reduzieren und gleichzeitig die wirtschaftliche Tragfähigkeit für Unternehmen sicherzustellen?“
Ziel war es, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie solche Modelle wirken, welche Chancen sie bieten, aber auch, wo ihre Grenzen liegen.
Fallbeispiel Pumpstation
Als zentrales Fallbeispiel diente mir die Zürcher Gastronomiegruppe Pumpstation Gastro GmbH, die unter der Leitung von Michel Péclard ein vollständig umsatzbasiertes Lohnsystem eingeführt hat. Serviceangestellte erhalten dort 7 % des von ihnen generierten Nettoumsatzes, aufgeteilt in 5 % Umsatzlohn, 1 % für Überstunden und 1 % Anteil am 13. Monatslohn. Ein Fixlohn entfällt, jedoch wird ein monatlicher Mindestlohn garantiert. Die Löhne werden digital erfasst und automatisch abgerechnet – eine wichtige Voraussetzung für Fairness und Nachvollziehbarkeit.
Methodik
Um das Thema fundiert zu beleuchten, habe ich sieben qualitative Experteninterviews geführt – mit Gastronom:innen, Gewerkschafter:innen, HR-Fachpersonen und Sozialversicherungsvertreter:innen. Die Auswertung erfolgte mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Kuckartz.
Zentrale Ergebnisse
Die Interviews zeichnen ein differenziertes Bild: Grundsätzlich wird Umsatzbeteiligung als motivierend und leistungsgerecht empfunden – vorausgesetzt, sie ist transparent, verständlich und fair umgesetzt. Besonders in umsatznahen, teamorientierten Bereichen kann sie zu höheren Löhnen und stärkerem Engagement führen. Die Lohndaten der Pumpstation zeigen, dass Mitarbeitende im Umsatzmodell deutlich mehr verdienen können als im Fixlohnsystem.
Allerdings zeigen sich auch Risiken: Leistungsdruck, Ungleichbehandlung bei Schichteinteilung und Spannungen zwischen Berufsgruppen (z. B. Küche vs. Service) können entstehen. Zudem sind rechtliche Fragen wie Mindestlohnabsicherung und Beitragspflicht zu beachten – eine sorgfältige Ausgestaltung ist daher unerlässlich.
Handlungsempfehlungen
Damit Umsatzbeteiligung funktioniert, braucht es klare Voraussetzungen:
- Eine stabile Umsatzlage und digitale Infrastruktur
- Transparente Kommunikation, verständliche Modellregeln
- Faire Schichtverteilung und Bewusstsein für soziale Gerechtigkeit
- Rechtssicherheit und Einhaltung aller GAV-Vorgaben
Nur wenn das Modell nicht isoliert, sondern als Teil einer gesunden Unternehmenskultur eingeführt wird, kann es langfristig erfolgreich sein.