Replikationsstudie: «Impact of preciseness of price presentation on the magnitude of compromise and decoy effects».
Kontext
Stellen Sie sich vor: Sie planen einen einwöchigen Urlaub und haben die Wahl zwischen drei verschiedenen Hotelangeboten. Ein Hotel bietet Ihnen einen Preis von CHF 47.50 pro Nacht, ein anderes Hotel CHF 129.55 und ein drittes Hotel CHF 149.95. Wie würde sich Ihre Entscheidung ändern, wenn diese Preise stattdessen auf CHF 50, CHF 130 und CHF 150 gerundet wären?
Auf den ersten Blick scheint der Unterschied gering zu sein, aber Studien haben gezeigt, dass solche kleinen Änderungen in der Preisdarstellung einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung und Entscheidungsfindung von Konsumenten haben können. Ein weiteres Phänomen, das die Entscheidungsfindung von Konsumenten beeinflusst, ist der Decoy-Effekt. Dieser tritt auf, wenn die Einführung einer dritten, weniger attraktiven Option (Decoy) mit dem Ziel, den Konsumenten zu einem Zielangebot zu lenken, die Wahrnehmung und Präferenzen für die ursprünglichen beiden Optionen beeinflusst.
Obwohl frühere Studien darauf hindeuten, dass der Decoy-Effekt schwächer ist, wenn die Abwägung zwischen den beiden Hauptattributen Preis- und Qualitätsinformationen enthält, konnten Cui et al. (2021) diese Ergebnisse in ihrer Studie widerlegen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Decoy-Effekt auch dann signifikant positiv ist, wenn sich die Reiseoptionen im Preispräzisionsniveau unterscheiden. Es ist jedoch unklar, ob diese Ergebnisse auf den kulturellen Kontext der Deutschschweizer Bevölkerung übertragbar sind.
In der früheren Literatur wurde häufig berichtet, dass verschiedene Forschungsergebnisse zum Decoy-Effekt nicht erfolgreich repliziert werden konnten, was die Relevanz und Anwendbarkeit des Effektes infrage stellte. Darüber hinaus haben Replikationsstudien seit der Replikationskrise an Bedeutung gewonnen. Systematische Replikationen werden durchgeführt, um die Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen zu überprüfen. Zudem ist die Replikation der Studie von Cui et al. (2021) aufgrund der Bedeutung des Tourismus für die Schweizer Wirtschaft von besonderer Relevanz. Im Jahr 2021 verzeichnete die Schweiz 45,9 Millionen Logiernächte und eine touristische Nachfrage von 35,4 Milliarden Franken im Tourismussektor. Angesichts dieser Bedeutung können die Ergebnisse dieser Arbeit wertvolle Hinweise für die Tourismusbranche liefern.
Zielsetzung
Ziel dieser Arbeit ist es, die Studie 1B mit dem dazugehörigen Experiment aus dem wissenschaftlichen Paper «Impact of Preciseness of Price Presentation on the Magnitude of Compromise and Decoy Effects» von Cui et al. (2021) systematisch zu replizieren. Mit der systematischen Replikation soll überprüft werden, ob die gefundenen Effekte, insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Decoy-Effekt und der Präzision der Preisinformation, auch in einem anderen kulturellen Kontext reproduzierbar sind. Daraus leitet sich folgende Forschungsfrage ab:
Inwiefern beeinflussen unterschiedliche Preispräzisionsniveaus (gerundet vs. präzise) den Decoy-Effekt bei Reiseentscheidungen von Deutschschweizern?
Methodisches Vorgehen
Zur Untersuchung dieser Fragestellung wurde das Experimentdesign gemäss der Originalstudie reproduziert. Dies beinhaltete ein 2 (Choice-Set: aAB vs. ABb) x 3 (Preispräzisionsniveau: präzise Preise 1 vs. präzise Preise 2 vs. gerundete Preise) Between-Subjects-Design. Des Weiteren wurde das Stimulusmaterial gestützt auf der Originalstudie reproduziert und an die Schweizer Gegebenheiten angepasst.
Zur Messung der Effekte wurde eine quantitative Studie anhand eines szenariobasierten Online-Experiments durchgeführt. Die Teilnehmer wurden randomisiert einem der sechs Choice Sets innerhalb der drei Preispräzisionsbedingungen zugeteilt. Die Teilnehmer wurden zunächst gebeten, sich ein Szenario vorzustellen, in dem sie einen einwöchigen Urlaub buchen. Anschliessend wählten sie eine Option aus einem Choice Set, das eine Zieloption, eine Konkurrenzoption und eine Decoy-Option enthielt. Diese Optionen unterscheiden sich in ihren Qualitätsmerkmalen und Preisniveaus. Zusätzlich wurden die Teilnehmer drei verschiedenen Preispräzisionsniveaus ausgesetzt.
Konkret wurde also jeweils ein Paar der Choice Sets (aAB und ABb) in drei verschiedenen Preispräzisionsniveaus geprüft. Insgesamt wurden sechs Choice Sets getestet, wobei in jedem Choice Set immer ein Preis dem jeweiligen Qualitätsattribut gegenübergestellt wurde. Ziel dieses Vorgehens war es, zu überprüfen, ob in allen Varianten der Choice Sets ein signifikanter Decoy-Effekt erzielt werden kann.
Ergebnisse
Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass der Decoy-Effekt in allen drei getesteten Preispräzisionsniveaus über alle sechs Choice Sets hinweg signifikant positiv ist. Dies bedeutet, dass die Einführung einer Decoy-Option die Wahl der Deutschschweizer Teilnehmer zugunsten der Zieloption beeinflusst, unabhängig davon, ob die Preise gerundet oder präzise angegeben werden.
Die Ergebnisse dieser Bachelorarbeit stärken somit die interne und externe Validität der ursprünglichen Studie und zeigt, dass der Effekt auch dann robust ist, wenn die Preisinformationen im Präzisionsniveau variieren.
Tourismusunternehmen können diese Erkenntnisse nutzen, um ihre Angebotsstrukturen zu verbessern. Durch die gezielte Einführung einer Decoy-Option können Tourismusunternehmen die Entscheidungen der Kunden beeinflussen und den Verkauf höherwertiger Angebote fördern. Beispielsweise könnten Hotels in der Schweiz diese Strategie anwenden, um Kunden zu teureren und qualitativ höherwertigen Zimmerkategorien zu lenken, indem sie eine preislich unattraktive Decoy-Option anbieten und gleichzeitig die qualitativ höherwertigen Optionen attraktiver erscheinen lassen. Ein entscheidender Faktor in diesem Zusammenhang ist die Preispräzision. Unterschiedliche Preispräzisionsniveaus beeinflussen den Decoy-Effekt erheblich. Beispielsweise wird eine Decoy-Option mit einem präzisen Preis wie CHF 199.95 anders wahrgenommen als eine Option mit einem weniger präzisen Preis wie CHF 200.00. Daher sollten Tourismusunternehmen bei der Einführung von Decoy-Optionen sorgfältig auf die Preispräzision achten, um den gewünschten Effekt zu maximieren und die Verkaufszahlen der Zielangebote zu steigern.
Fazit
Diese systematische Replikation bestätigt somit die Forschungsergebnisse der Originalstudie von Cui et al. (2021) und zeigt, dass die beobachteten Effekte zwischen Preisinformation und Decoy-Effekt auch auf die Deutschschweizer Bevölkerung übertragbar sind.