Planet-Centric Design: Charakteristiken und Unterschiede zu Human-Centred Design
Ausgangslage
Human-Centred Design – auch menschenzentriertes Design genannt – hat sich in der Unternehmenswelt für die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen als gängige und erfolgreiche Methode etabliert. Dieser Designansatz, welcher sich in den 1990er Jahren in der Geschäftswelt mit dem Aufkommen von Design Thinking verbreitete, stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Doch bei einem Design, welches ausschliesslich auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist, werden die Auswirkungen auf den Planeten und dessen Umwelt oftmals vernachlässigt. Dies führt zu negativen Folgen auf die Menschheit und deren Leben auf der Erde.
In der heutigen Welt, in der unser Planet durch menschliche Aktivitäten vor Herausforderungen gestellt wird und die Ressourcen knapp werden, ist es entscheidend, die Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen von einer anderen Perspektive zu betrachten. Letztendlich Spielt Design eine wichtige Rolle bei der Gestaltung einer Nachhaltigen Zukunft, denn 80% der Umweltauswirkungen eines Produkts werden in der Entwurfsphase verursacht.
Planet-Centric Design – auch planetenzentriertes Design genannt – bietet neue Möglichkeiten für Innovation. Der Ansatz entfernt sich von einer nutzerzentrierten Perspektive und bewegt sich auf eine planetarische Sichtweise zu. So können die Bedürfnisse der Menschen und diejenigen des Planeten ins Gleichgewicht gebracht werden.
Ziel
Das Ziel der vorliegenden Bachelor-Thesis war es, Planet-Centric Design vorzustellen und den Stand der Forschung und Praxis zu beleuchten. Es wurden drei aufeinander aufbauende Forschungsfragen definiert:
(1) Was sind die charakteristischen Merkmale von Planet-Centric Design?
(2) Wie unterscheidet sich Planet-Centric Design von Human-Centred Design?
(3) Welche Handlungsempfehlungen zur Anwendung von Planet-Centric Design können abgeleitet werden?
Methodologie
Um die Ergebnisse zu erarbeiten wurde in einem ersten Schritt ein Literatur Review durchgeführt. Da es sich bei Planet-Centric Design noch um ein relativ unerforschtes Thema handelt, wurden auch nicht-wissenschaftliche Quellen beigezogen. Diese wurden auf ihre Glaubwürdigkeit geprüft.
Weiter wurden sechs semi-strukturierte Experteninterviews durchgeführt, welche mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden.
Bei beiden Methoden wurde ein induktives Vorgehen angewendet.
Ergebnisse
Was sind die charakteristischen Merkmale von Planet-Centric Design?
Planet-Centric Design ist ein Designansatz für die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, welcher auf den Grundlagen von Human-Centred Design aufbaut und den Planeten als wichtigen Stakeholder in den Designprozess mit einbezieht. Dadurch werden menschliche sowie nicht-menschliche Stakeholder berücksichtigt. Es wird versucht, negative Auswirkungen auf den Planeten zu minimieren und die langfristigen Auswirkungen eines Produkts oder einer Dienstleistung auf die Umwelt und die Gesellschaft zu berücksichtigen. Dies geschieht, indem der gesamte Lebenszyklus des Produkts oder der Dienstleistung betrachtet und Umweltwechselwirkungen mit einbezogen werden. Es werden auch ethische Aspekte berücksichtigt.
Der planetenzentrierte Ansatz fördert die Schaffung von Kreisläufen, in denen Ressourcen wiederverwendet werden, um Abfall und Verschmutzung zu minimieren, sowie den Einsatz erneuerbarer Energien und Materialien, um die Abhängigkeit von nicht erneuerbaren Ressourcen zu verringern.
Planet-Centric Design erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Interessengruppen zur Entwicklung ganzheitlicher, innovativer und nachhaltiger Lösungen und ist auf die Kooperation aller Beteiligten angewiesen. Produkte und Dienstleistungen, die auf der Grundlage des planetenzentrierten Designansatzes entwickelt werden, sind systemisch, transparent und verantwortungsvoll. Ebenfalls versucht der planetenzentrierte Ansatz neue Wege zu finden, wie qualitatives Wachstum festgehalten werden kann.
Wie unterscheidet sich Planet-Centric Design von Human-Centred Design?
Fokus und Stakeholder
Während sich Human-Centred Design auf die Menschen fokussiert, bezieht Planet-Centric Design zusätzlich den Planeten als Stakeholder in den Designprozess mit ein. Dies führt wiederum dazu, dass sich Planet-Centric Design nicht nur auf menschliche, sondern auch auf nicht-menschliche Stakeholder konzentriert.
Umweltauswirkungen
Da die Umweltauswirkungen bei Human-Centred Design nicht berücksichtigt werden, führt dies zu negativen Auswirkungen auf den Planeten. Planet-Centric Design versucht an dieser Stelle den Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen und die negativen Umweltauswirkungen zu minimieren und im Einklang mit den planetarischen Grenzen zu handeln.
Verantwortung
Human-Centred Design sieht die Verantwortung für Nachhaltigkeit eher bei den Nutzern und Nutzerinnen und deren Verhalten, während Planet-Centred Design die Verantwortung bei den Herstellern und dem Designprozess sieht. Bei Planet-Centric Design geht es nicht um den Nachhaltigkeitsaspekt bei den Konsumenten, sondern um die Praktiken innerhalb eines Unternehmens.
Zeitahmen
Während der menschenzentrierte Ansatz Lösungen schafft, welche den Menschen kurzfristig zu Gute kommen, berücksichtig Planet-Centric Design externe Effekte, die sich erst im Laufe der Zeit entwickeln. Somit nimmt der planetenzentrierte Ansatz eine langfristige Perspektive ein.
Messungen
Während sich Human-Centred Design vor allem auf quantitative Massstäbe konzentriert, bezieht Planet-Centric Design vermehrt qualitative Messungen mit ein.
Umfang
Der Umfang von Planet-Centric Design ist grösser. Produkte und Dienstleistungen, die aus einem menschenzentrierten Ansatz resultieren sind wünschenswert, machbar und durchführbar. Lösungen, welche aus einem planetenzentrierten Ansatz resultieren, sind zusätzlich verantwortungsvoll, systemisch und transparent.
Designpraktiken
Durch den erweiterten Umfang von Planet-Centric Design ergeben sich auch Unterschiede innerhalb der Designpraktiken.
Prozess
Im Rahmen dieser Bachelor-Thesis wurde der Innovationsrahmen von Design Council mit dem systemischen Gestaltungsrahmen - ebenfalls von Design Council - verglichen. Beide Rahmenwerke bestehen aus Prozessphasen, unterstützenden Aktivitäten und Arbeitsweisen. Es kann gesagt werden, dass der systemische Gestaltungsrahmen auf dem Innovationsrahmen aufbaut. Der systemische Gestaltungsrahmen wurde allerdings so erweitert und angepasst, dass dieser die Integration der planetarischen Sichtweise erlaubt.
Prinzipien
Es gibt zahlreiche Prinzipien für Human-Centred oder Planet-Centric Design. Im Rahmen dieser Bachelor-Thesis wurden die Prinzipien von Don Norman untersucht.
Die Prinzipien von Human-Centred Design lassen die Probleme der Nachhaltigkeit und der Ungerechtigkeit ausser Acht. Im Allgemeinen konzentrieren sich die Prinzipien von Human-Centred Design auf die unmittelbaren Probleme, während der Schwerpunkt der Prinzipien von Planet-Centric Design auf den langfristigen Auswirkungen liegt.
Die Prinzipien des planetenzentrierten Ansatzes bauen auf den Prinzipien des menschenzentrierten Ansatzes auf, jedoch wurden die Prinzipien so erweitert, dass diese in den planetenzentrierten Kontext passen. So werden innerhalb der Prinzipien von Planet-Centric Design nicht nur die Bedürfnisse der Menschen, sondern alle Lebewesen und das Ökosystem, sowie die langfristigen Auswirkungen berücksichtigt.
Methoden
Auch die Methoden können entsprechend rekalibriert werden. So wurde beispielsweise das Business Model Canvas von der Agentur Vincit auf den planetarischen Kontext angepasst, woraus das Business Model Flip resultierte. Der Aufbau ist immer noch der selbe, allerdings werden innerhalb der Business Model Flip viel stärker die sozialen und ökologischen Auswirkungen angesprochen.
Welche Handlungsempfehlungen zur Anwendung von Planet-Centric Design können abgeleitet werden?
Für diese Forschungsfrage wurden zwei Teile erarbeitet. Einerseits allgemeine Handlungsempfehlungen für die Implementierung von Planet-Centric Design und andererseits rollenbasierte Handlungsempfehlungen, welche die Nachhaltigkeit an sich betreffen.
Allgemeine Handlungsempfehlungen
Anpassung der Perspektive auf den planetarischen Kontext
Unternehmen sollten über das Greenwashing hinausgehen und in ihrem Designprozess eine erweiterte Perspektive einbringen. So sollten Unternehmen nicht nur Produkte und Dienstleistungen entwickeln, welche wünschbar, machbar und durchführbar sind. Sie sollten sich zusätzlich darauf konzentrieren, dass die Ergebnisse verantwortungsvoll, systemisch und transparent sind.
Anpassung der Designpraktiken auf den planetarischen Kontext
Unternehmen sollten sich auf einen systemischen Gestaltungsprozess fokussieren und ihre Arbeitsweisen, Designprinzipien und Methoden so anpassen bzw. rekalibrieren, dass diese die Integration einer planetarischen Sichtweise erlauben.
Anpassung der Rollen und der Zusammenarbeit auf den planetarischen Kontext
Design Council definiert vier zentrale Rollen, welche in einem Designprozess vorhanden sein sollten. Zusätzlich sollten während des gesamten Designprozesses unterschiedliche Disziplinen und Wissensgebiete mit einbezogen werden. Daher ermutigen wir Unternehmen, die Rollen ihres Designprozesses zu überdenken und diverse Perspektiven in ihrem Designprozess zu berücksichtigen.
Anpassung der KPIs auf den planetarischen Kontext
Unternehmen sollten ihre KPIs überdenken. Dabei ist es wichtig sich nicht nur auf quantitative Messungen wie beispielsweise das Wachstum zu konzentrieren, sondern auch qualitative KPIs zu definieren, welche beispielsweise die Nachhaltigkeit betreffen.
Anpassung der Organisationsstruktur zur Förderung von Planet-Centric Design
Damit Planet-Centric Design vollumfänglich in einem Unternehmen durchgesetzt werden kann, sind einige Veränderungen in den Organisationsstrukturen notwendig. Diese Veränderungen können sich auf mehrere Bereiche beziehen, wie auf das Reward System, auf die C-Suite und auf die Business Modelle.
Das Reward System sollte so angepasst werden, dass nachhaltiges Verhalten belohnt wird und nicht nur kurzfristige Gewinne im Fokus stehen. Die C-Suite, sollte aktiv den Wandel hin zu Planet-Centric Design vorantreiben und die nötigen Ressourcen bereitstellen. Zudem kann es notwendig sein, das Geschäftsmodell des Unternehmens zu ändern, um eine nachhaltigere Ausrichtung zu ermöglichen. Diese Veränderungen erfordern oft auch ein Umdenken und eine Neuorientierung in der gesamten Organisation, um eine erfolgreiche Implementierung von Planet-Centric Design zu ermöglichen.
Unterstützung anderer Unternehmen bei der Implementierung
Planet-Centric Design ist noch nicht weit verbreitet. Es ist wichtig, dass sich Unternehmen bei der Implementierung des Designansatzes unterstützen und gegenseitig ihre Erfahrungen und Best Practices miteinander teilen.
Rollenbasierte Handlungsempfehlungen
Es sit wichtig, dass die Denkweise der Nachhaltigkeit in allen Bereichen eines Unternehmens zum Tragen kommt.
Management
Das Management sollte die Verantwortung für die Entwicklung und Umsetzung einer auf den Planeten ausgerichteten Designstrategie übernehmen. Sie sollten eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, die auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens zugeschnitten ist und sicherstellen, dass alle Abteilungen des Unternehmens miteinbezogen werden. Zudem sollte das Management dafür sorgen, dass das Unternehmen seine Geschäftspraktiken und Produkte so gestaltet, dass sie möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft haben. Sie sollten auch sicherstellen, dass das Unternehmen seine Umweltauswirkungen kontinuierlich misst, überwacht und jederzeit versucht negative Auswirkungen zu reduzieren.
Nachhaltigkeitsmanager/in
Diese Funktion ist für die Integration von Nachhaltigkeitspraktiken und -strategien in allen Geschäftsbereichen und -prozessen verantwortlich. Der Nachhaltigkeitsmanager oder die -managerin arbeitet eng mit dem Management zusammen, um eine nachhaltige Kultur zu schaffen und die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens zu definieren und umzusetzen. Diese Rolle sollte sicherstellen, dass das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsziele erreicht.
Produkt- und Dienstleistungserzeuger/innen
Diese Rolle beinhaltet Designer und Designerinnen sowie Ingenieure. Dabei sollten sie nicht nur die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen, sondern auch die Umwelt im Auge behalten. Sie sollten sicherstellen, dass das Unternehmen nachhaltige Designpraktiken einsetzt. Sie sollten ebenfalls sicherstellen, dass die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens umweltfreundlich und energieeffizient sind und unter Verwendung nachhaltiger Materialien und Fertigungsmethoden hergestellt werden.
Marketing- und Kommunikationsexperten
Marketing- und Kommunikationsexperten sollten gewährleisten, dass das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsbemühungen transparent kommuniziert. Sie sollten ebenfalls sicherstellen, dass das Unternehmen seine Umweltinitiativen bekannt macht und dass die Kunden verstehen, wie die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens die Umwelt schützen.
Finanzexperten
Finanzexperten sollten sicherstellen, dass das Unternehmen seine finanziellen Ressourcen effektiv zur Erreichung nachhaltiger Ziele einsetzt. Das Unternehmen sollte in nachhaltige Initiativen investieren. Zudem sollten sich die Nachhaltigkeitsbemühungen des Unternehmens positiv auf die Finanzen auswirken, was es zu überwachen gilt.
Personalmanagement
Die Personalabteilung sollte dafür sorgen, dass alle Mitarbeitenden mit der Bedeutung der Nachhaltigkeit vertraut gemacht werden. Dies kann beispielsweise durch Gastreferate oder Workshops erreicht werden. Darüber hinaus kann diese Abteilung Leit- und Richtlinien entwickeln, um sicherzustellen, dass die Grundsätze der Nachhaltigkeit in allen Bereichen des Unternehmens berücksichtigt werden. Das Personalmanagement kann ebenfalls die Mitarbeitenden einbeziehen. Dies beispielsweise, indem es Programme entwickelt, welche die Mitarbeitenden ermutigen, Ideen und Vorschläge für umweltfreundlichere Praktiken und Initiativen einzubringen.