Intuition mit Einblick: Datenvisualisierungen für das Tiefbauamt der Stadt Bern

Intuition mit Einblick: Datenvisualisierungen für das Tiefbauamt der Stadt Bern
Kirchenfeldbrücke, Stadt Bern (Quelle: TAB intern)

Kontext

Die Stadtverwaltung Bern widmet sich intensiv der digitalen Transformation und übernimmt zunehmend Aufgaben in diesem Bereich. Das Tiefbauamt der Stadt Bern setzt sich ebenfalls vermehrt mit ihrer digitalen Entwicklung auseinander. Die Literatur zu den Themen Data-Driven Public Sector und Data-Driven Decision Making betont, dass Daten eine treibende Kraft für die digitale Entwicklung sind und in aufbereiteter Form, beispielsweise durch Datenvisualisierungen, als Hilfsmittel für Entscheidungsfindungen dienen können. Dabei ist eine effektive Datengovernanz von entscheidender Bedeutung, da falsch aufbereitete Datenvisualisierungen oder eine unzureichende Datengrundlage Schaden anrichten können.

Obwohl das Tiefbauamt über eine beträchtliche Menge an Daten verfügt, wird bisher wenig damit unternommen. Es könnte sein, dass das Potenzial dieser Daten noch nicht erkannt wurde oder die Umsetzung zu komplex ist und zu viel Aufwand erfordert. Bisher existiert keine umfassende Datengovernanz im Tiefbauamt. Die Entwicklung einer solchen Governanz erfordert erhebliche Ressourcen, weshalb eine strukturierte Vorgehensweise und Priorisierung notwendig sind.

Die Geschäftsleitung des Tiefbauamtes trifft gegenwärtig viele Entscheidungen auf der Grundlage von Intuition und Erfahrung. Datenvisualisierungen könnten jedoch zusätzliche und präzisere Erkenntnisse über die Aufgaben des Tiefbauamtes liefern. Daher könnten solche Visualisierungen als Unterstützung bei Entscheidungsfindungen der Geschäftsleitung dienen.

Die Auftraggeber dieser Arbeit waren der Leiter und zwei Fachspezialisten aus dem IT/GIS-Team des Tiefbauamtes. Sie sind für einen Grossteil der Datenverwaltung im Tiefbauamt zuständig, verfügten jedoch über wenig Erfahrung im Zusammenhang mit Data Driven Decision Making und Data Driven Public Sector. Folglich war unklar, wie und welche Daten sie in aufbereiteter Form der Geschäftsleitung zur Verfügung stellen sollten. Es fehlte ihnen an strukturierten Ansätzen, um die Bedürfnisse der Geschäftsleitung zu ermitteln, diese zu priorisieren und entsprechend zu bedienen. Mit dieser Arbeit wurde ein erster Lösungsansatz erarbeitet, um das Potenzial der Daten des Tiefbauamtes aufzuzeigen und zu nutzen.

Ziele

Die Ziele dieser Arbeit hatten verschiedene Aspekte im Fokus. In erster Linie sollte den Auftraggebern ein Prozess zur Verfügung gestellt werden, der ihnen ermöglicht, zukünftig die Bedürfnisse der Geschäftsleitung abzuholen, zu strukturieren und zu priorisieren. Es war ebenfalls wichtig, Lösungen bzw. Datenvisualisierungen zu entwickeln, die der Geschäftsleitung präsentiert werden sollten.

Die Themen, mit denen sich die Arbeit befasste, sind komplex, und daher sollte ein agiler Ansatz gewählt werden, bei dem kontinuierliches Lernen bei jedem Schritt im Vordergrund steht. Der gesamte Prozess sollte im Rahmen der Bachelorarbeit erstellt und einmal durchgeführt werden. Als Produkt aus dem Prozess sollten Datenvisualisierungen basierend auf den abgeholten Bedürfnissen der GL entstehen.

Ein weiteres Ziel bestand darin, anhand dieser  Datenvisualisierungen die Geschäftsleitung für die Bedeutung einer guten Datengovernanz und eines effektiven Datenmanagements zu sensibilisieren. Dies sind wesentliche Voraussetzungen für eine vertrauenswürdige Entscheidungsunterstützung und für die Förderung der digitalen Entwicklung.

Am Ende der Arbeit sollten dem Tiefbauamt somit zwei Produkte zur Verfügung stehen. Zum einen ein massgeschneiderter Prozess für die Auftraggeber, der es ihnen ermöglicht, die Bedürfnisse der Geschäftsleitung strukturiert und effizient zu bedienen. Zum anderen sollten erste Datenvisualisierungen auf Basis realer Daten des Tiefbauamtes für die Geschäftsleitung erstellt werden, um ihr das Potenzial der Daten und der Visualisierungen zu verdeutlichen.

Methoden

Um die anspruchsvollen Fragen und Themen des Tiefbauamtes anzugehen, wurde der Prozess Design Thinking verwendet. Dabei wurden die sechs Schritte des Design Thinking - Verstehen, Beobachten, Standpunkt definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln und Testen - durchlaufen. Um den Prozess zu strukturieren, wurden Elemente aus dem Scrum-Framework integriert. In der untenstehenden Abbildung sind die Schritte im Rahmen des Double Diamonds aus dem Design Thinking ersichtlich, die in dieser Arbeit verwendet wurden.

Angewendete Design Thinking Schritte (Quelle: Eigene Darstellung)

Der Prozess erstreckte sich über einen Zeitraum von etwa 15 Wochen und war in vier Sprints unterteilt. In jedem Sprint wurden ein bis zwei Schritte des Design Thinking durchgeführt. Zudem fanden in jedem Sprint mindestens ein grosser Workshop und ein Sprint Review statt.

Im Schritt Beobachten wurden drei Interviews mit Mitgliedern der Geschäftsleitung durchgeführt, um deren Bedürfnisse zu verstehen und als Grundlage für die Definition des Standpunktes zu nutzen. Im Zusammenhang mit dem Schritt Prototypen entwickeln fanden weitere Gespräche mit den Auftraggebern und anderen Fachspezialisten des Tiefbauamtes statt, um die Auswahl und Aufbereitung der Datengrundlage zu besprechen.

Beim Schritt Testen wurden die Datenvisualisierungen und der erarbeitete Prozess der Geschäftsleitung präsentiert. Dadurch konnten Rückmeldungen zu den Produkten gesammelt werden und es wurde überprüft, ob seitens der Geschäftsleitung Interesse an solchen Lösungen besteht.

Die Autorin hat die Umsetzung des Prozesses entsprechend ihren eigenen Erkenntnissen und Rückmeldungen aus den Workshops und Sprint Reviews angepasst. Auf diese Weise wurde nach jeder Besprechung ein Build-Measure-Learn-Zyklus durchlaufen, um kontinuierlich zu lernen und den Prozess zu verbessern.

Ergebnisse


Der Design Thinking Prozess wurde in Kombination mit Scrum für die erste Durchführung im Tiefbauamt erarbeitet und anschliessend mit den Auftraggebern und verschiedenen Experten durchgeführt. Dabei erfolgte eine iterative Anpassung und kontinuierliche Verbesserung des erarbeiteten Prozesses durch die Autorin. Die Workshops und weiteren Besprechungen wurden auf einem Miro Board festgehalten. Damit wurde zudem die kollaborative Zusammenarbeit gefördert.

Des Weiteren wurden Datenvisualisierungen in Form von Prototypen, basierend auf den Erkenntnissen, die aus den durchgeführten Schritten des Design Thinking Prozesses gewonnen wurden, erstellt. Diese Visualisierungen wurden verbessert und priorisiert, um sie für die Präsentation und das Testing bei der Geschäftsleitung vorzubereiten.

Die Präsentation bei der Geschäftsleitung war erfolgreich, da diese grosses Interesse an den Datenvisualisierungen zeigte und diese als Unterstützung für Entscheidungen nutzen möchte. Obwohl die Visualisierungen im Fokus standen, weckte auch der neue Prozess die Neugier der GL. Das IT/GIS-Team wurde anschliessend beauftragt, das Vorhaben weiterzuverfolgen. Dies mit dem Ziel, Datenvisualisierungen als Entscheidungsunterstützung einsetzen zu können und Schritt für Schritt die bestehende Datenstruktur zu bereinigen. Die erarbeiteten und abgenommenen Datenvisualisierungen wurden der Geschäftsleitung übergeben. In der untenstehenden Abbildung ist der durchschnittliche Tagesverkehr nach Stadtteil vom Jahr 2000 bis 2022 ersichtlich.

Durchschnittlicher Tagesverkehr pro Stadtteil von 2000 bis 2022 (Quelle: Eigene Darstellung)

Im Rahmen des gesamten Prozesses fanden zahlreiche Besprechungen statt, darunter Kick-off-Meetings, Workshops, Sprint Reviews, Interviews, Besprechungen zur Datengrundlage, Präsentation und Testing bei der Geschäftsleitung sowie eine abschliessende Retrospektive. Diese Besprechungen wurden dokumentiert, um den gesamten Prozess transparent zu machen und die gewonnenen Erkenntnisse festzuhalten. Die Dokumentation soll die Auftraggeber bei der eigenen Durchführung des Prozesses unterstützen.

Abschliessend wurde beschlossen, dass das IT/GIS-Team den Prozess in Betrieb nimmt. Hierfür wurde der Prozess gesamthaft überarbeitet und in einem neuen Miro Board abgebildet. Der abschliessende Prozess, welcher in der unten stehenden Abbildung ersichtlich ist, und die entsprechenden Vorlagen in Miro wurden dem Tiefbauamt zur Verfügung gestellt.

Überarbeiteter Design Thinking Prozess für das Tiefbauamt der Stadt Bern (Quelle: Eigene Darstellung)