Gleichstellung von Frau und Mann in Architekturbüros

Kontext
Die zentrale Problematik dieser Arbeit liegt in der Diskrepanz zwischen gleichstellungspolitischen Zielen und deren Umsetzung in der betrieblichen Realität. Besonders in kleinen und mittleren Unternehmen bleibt die Verwirklichung von Gleichstellung eine Herausforderung, da strukturelle und kulturelle Bedingungen selten systematisch hinterfragt und angepasst werden. Ein besonders aufschlussreiches Beispiel für diese Problematik stellt die Architekturbranche aufgrund der folgenden Gründe dar. Obwohl Frauen fast die Hälfte der Architekturstudierenden ausmachen, liegt ihr Anteil in Führungsfunktionen bei nur 15 bis 20 Prozent. Die Ursachen dafür sind nicht mangelnde Qualifikation, sondern strukturelle Ausschlussmechanismen. Die geringe Repräsentation von Frauen in Führungsfunktionen verweist auf bestehende strukturelle Hürden. Dazu gehören die eingeschränkte Sichtbarkeit beruflicher Leistungen, fehlende institutionelle Anerkennung sowie ein erschwerter Zugang zu Entscheidungspositionen. Solche Barrieren bestehen trotz des gestiegenen Anteils an ausgebildeten Architektinnen weiterhin. Diese Differenz zwischen Ausbildung und Führungspraxis verdeutlicht das zentrale Problem dieser Arbeit: Gleichstellungsmassnahmen werden häufig als formal erfüllt betrachtet, scheitern aber in ihrer konkreten Umsetzung im Arbeitsalltag.
Zielsetzung
Diese Bachelorarbeit untersucht, wie Führungspersonen in Architekturbüros Gleichstellung im betrieblichen Alltag wahrnehmen, welche Herausforderungen sie dabei erkennen und welche Massnahmen umgesetzt werden. Ergänzend wird aufgezeigt, welche Gleichstellungsstrategien an Fachhochschulen verfolgt werden und inwiefern sie auf die berufliche Praxis einwirken. Die Relevanz ergibt sich aus der anhaltenden Diskrepanz zwischen rechtlicher Gleichstellung und strukturell verankerter Ungleichbehandlung, besonders im Zugang zu Leitungsfunktionen und beruflicher Sichtbarkeit. Die zentrale Fragestellung lautet: Wie nehmen Führungspersonen in Architektur-KMU Gleichstellungsmassnahmen im betrieblichen Alltag wahr, welche Herausforderungen und Möglichkeiten sehen sie, diese gezielt zu fördern, und wie wird Gleichstellung an Fachhochschulen unterstützt?
Methodik
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden sieben qualitative Interviews durchgeführt: fünf mit Führungspersonen aus drei Architekturbüros sowie zwei mit Fachpersonen aus dem Hochschulbereich. Die Auswertung folgte der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2024) und ermöglichte eine systematische Kategorisierung in vier Themenbereiche: Wahrnehmungen, Herausforderungen, Massnahmen und Empfehlungen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass Gleichstellung in Architekturbüros sehr unterschiedlich erlebt wird und stark von strukturellen, kulturellen und institutionellen Faktoren abhängt. In Büros mit flacher Hierarchie, geteilter Verantwortung und klarer Kommunikation wird Gleichstellung als selbstverständlich erlebt. Dort sind Teilzeitmodelle, Elternzeitregelungen und Sichtbarkeit von Frauen besser verankert. In anderen Kontexten bleibt Gleichstellung symbolisch, abhängig vom Engagement einzelner Personen und ohne strukturelle Absicherung.Als zentrale Hürden nennen die Befragten fehlende Stellvertretungsmodelle, stereotype Rollenzuschreibungen und informelle Entscheidungsprozesse. Teilzeitarbeit führt oft zum Ausschluss von Leitungsverantwortung. Frauen erleben mehr Rechtfertigungsdruck, Männer thematisieren solche Mechanismen seltener. Im Hochschulkontext hängt Gleichstellung stark vom Engagement einzelner Dozierender ab. Curriculare Verankerung und Vorbilder sind kaum institutionalisiert. Dennoch zeigen einzelne Hochschulen Ansätze wie gendersensible Lehrinhalte und Netzwerke. Die Ergebnisse unterstreichen, dass Gleichstellung keine Folge von Einzelmassnahmen ist, sondern ein koordiniertes Zusammenspiel betrieblicher, hochschulischer und politischer Ebenen erfordert. Unternehmen sollten Gleichstellung strukturell verankern, indem sie flexible Führungsmodelle wie Teilzeitleitung oder Jobsharing verbindlich umsetzen und mit klaren Stellvertretungsregelungen absichern. Zudem braucht es institutionalisierte Zuständigkeiten für Gleichstellung, etwa in Form von Reglementen und objektiven Beförderungskriterien. Schliesslich ist ein aktiver kultureller Wandel nötig, der stereotype Führungsbilder hinterfragt, weibliche Sichtbarkeit stärkt und eine inklusive Kommunikationskultur fördert.