Verordnung trifft Realität: Die EU-Entwaldungsverordnung und ihre Auswirkungen für Kakaobäuer:innen in Ghana

Kontext
Entwaldung ist ein weltweites Problem und die Europäische Union trägt dabei eine zentrale Verantwortung. Nicht durch direkte Waldrodungen, sondern durch den Import von Produkten wie beispielsweise Kakao, Soja und Palmöl, deren Herstellung oft mit Waldverlust in Drittstaaten in Verbindung steht. Ganze 16 % der globalen Entwaldung gehen auf das Konto der EU-Nachfrage. Um diesem Einfluss entgegenzuwirken, hat die Europäische Union die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verabschiedet. Sie verpflichtet Unternehmen, sicherzustellen, dass importierte Rohstoffe:
- entwaldungsfrei sind (nicht auf Flächen angebaut, die nach dem 31.12.2020 entwaldet wurden),
- nationalen Rechtsvorschriften entsprechen und
- durch ein Sorgfaltspflichtsystem rückverfolgbar sind.
Obwohl in der Entwaldungsverordnung nur von Anforderungen an EU-Mitgliedstaaten gesprochen wird, ist mit Auswirkungen auf Drittstaaten zu rechnen. Grund dafür ist der sogenannte Brüssel-Effekt. Dieser beschreibt die Fähigkeit der EU durch die Regulierung ihres Binnenmarktes globale Standards zu setzen. Ist der EU-Markt ein besonders wichtiger Absatzmarkt für Drittstaaten, werden sie die Anforderungen implementieren, um den Zugang zum EU-Markt nicht zu verlieren. Für Produzent:innen in Drittstaaten kann dies zu hohen Umsetzungskosten und Marktausschluss führen.
Eine solche Abhängigkeit und somit potenziell sehr stark von der EU-Entwaldungsverordnung betroffen ist der Kakaosektor in Ghana. Von allen von der Verordnung betroffenen Gütern zeigt sich beim Kakao die grösste Abhängigkeit. Die EU importiert 70% der weltweit produzierten Kakaobohnen. Innerhalb des Kakaosektors zeigt sich, dass Ghana über 50% seiner Kakaoproduktion in die EU exportiert und somit den grössten Anteil aller Erzeugländer in die EU exportiert.
Da die Verordnung erst Ende des Jahres 2025 in Kraft tritt, ist jedoch noch unklar, ob und zu welchen Auswirkungen es für ghanaische Kakaobäuer:innen kommen wird.
Zielsetzung
Um dies zu untersuchen, wurde folgende Fragestellung erstellt:
„Wie wirkt sich die EU-Entwaldungsverordnung auf ghanaische Kakaobäuer:innen aus?"
Ziel der Arbeit war es, ein fundiertes Verständnis darüber zu gewinnen, ob und wie sich die EU-Entwaldungsverordnung auf ghanaische Kakaobäuer:innen auswirkt. Die Erkenntnisse darüber sind entscheidend, um die Umsetzbarkeit, die langfristige Wirksamkeit und letztlich den Erfolg der Verordnung im Sinne eines wirksamen Waldschutzes bewerten zu können.
Methodik
Für die Beantwortung der Forschungsfrage wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt. Es wurden sechs teilstrukturierte Interviews mit Akteur:innen aus dem ghanaischen Kakaosektor geführt, die aufgrund ihrer Nähe zu den Lebensrealitäten der Bäuer:innen und ihres Wissens über die Entwaldungsverordnung ausgewählt wurden. Darunter waren unter anderem eine Zertifizierungsorganisation, ein Kakaobäuer:innenverband und eine NGO. Die Auswertung erfolgte mittels der Grounded Theory Methode, um auf offene, induktive Weise neue Erkenntnisse direkt aus dem Datenmaterial zu gewinnen.
Ergebnisse
Die Analyse der Interviews verdeutlicht, dass die EU-Entwaldungsverordnung weitreichende Auswirkungen auf ghanaische Kakaobäuer:innen hat. Diese lassen sich in drei zentrale Bereiche gliedern: sozioökonomische, ökologische und landwirtschaftliche sowie bildungsbezogene Auswirkungen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie zu einer institutionellen Abhängigkeit führen, was das zentrale Ergebnis der Arbeit darstellt. Viele der Anforderungen der Verordnung sind mit hohen finanziellen, administrativen und technologischen Kosten verbunden, die von den meisten Kakaobäuer:innen aufgrund geringer Einkommen nicht getragen werden können. Ohne gezielte Unterstützung durch Drittparteien, wie NGOs, Zertifizierungsorganisationen oder den Staat, können die Anforderungen der EU-Entwaldungsverordnung deshalb nicht erfüllt werden, was zu Ertragsverlusten, Marktausschluss und sozialen Problemen führen kann. Werden die Anforderungen jedoch erfüllt, bieten sich Chancen wie Marktzugang, Absatzsicherheit und sozioökonomische Stabilität.
Doch eine erfolgreiche Umsetzung der Anforderungen stellt nicht das Ende der Auswirkungen dar. Es entstehen landwirtschaftliche und ökologische Herausforderungen, etwa durch die Notwendigkeit, höhere Erträge auf begrenzter Fläche zu erzielen. Diese Veränderungen erfordern Wissen, das vielerorts fehlt. Deshalb steht und fällt die Umsetzbarkeit der Verordnung mit dem Zugang zu Bildung. Nur wenn ghanaische Kakaobäuer:innen geschult und befähigt werden, kann die Verordnung wirksam und sozialverträglich umgesetzt werden.
Fazit
Die Arbeit zeigt, dass die EU-Entwaldungsverordnung bei ghanaischen Kakaobäuer:innen zu institutioneller Abhängigkeit führt, da die Umsetzung der Anforderungen ohne Unterstützung durch Drittparteien kaum möglich ist. Während sich die Theorie vor allem auf ökonomische Folgen konzentriert, verdeutlicht die Arbeit, dass auch soziale, ökologische, landwirtschaftliche und bildungsbezogene Auswirkungen bestehen. Selbst wenn alle Anforderungen erfüllt wurden. Damit die Verordnung langfristig wirksam und sozialverträglich umgesetzt werden kann, braucht es gezielte Unterstützung durch Drittparteien in Form von finanzieller Hilfe, Schulungen, technologischem Zugang und Einbindung in lokale Strukturen. Nur so lassen sich die Ziele des Waldschutzes tatsächlich erreichen.