Die zunehmende Bedeutung von ESG in der Wirtschaftsprüfung
Kontext
Im Zuge wachsender internationaler Regulierungsdynamiken im Bereich der ESG-Berichterstattung geraten auch Schweizer Unternehmen zunehmend unter Druck, Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte offenzulegen. Mit dem Vernehmlassungsentwurf zu Art. 964a ff. VE-OR plant die Schweiz die Einführung einer externen Prüfungspflicht für Nachhaltigkeitsberichte. Bisher wurde aber die konkrete Ausgestaltung der Prüftiefe offen. Zur Debatte steht insbesondere, ob eine Prüfung mit Limited Assurance (begrenzter Sicherheit) oder mit Reasonable Assurance (hinreichender Sicherheit) vorgenommen werden soll. Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Aussagekraft und Glaubwürdigkeit der Berichte, die internationale Anschlussfähigkeit sowie für die organisatorische und finanzielle Belastung der betroffenen Unternehmen. Vor diesem Hintergrund ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Angemessenheit der Prüftiefe sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Sicht von grosser Relevanz.
Ziel und Fragestellung
Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Entwicklung einer fundierten und praxisnahen Handlungsempfehlung zur angemessenen Prüftiefe von Nachhaltigkeitsberichten im Schweizer Kontext. Die Arbeit geht der Frage nach, welches Prüfungsniveau geeignet ist, um die Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Informationen im Bericht sicherzustellen, ohne dabei die Umsetzbarkeit in der Praxis zu gefährden. Die zentrale Forschungsfrage lautet:
Welche Prüftiefe ist für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten nach Schweizer Recht erforderlich, um eine ausreichende Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit und Vergleichbarkeit zu gewährleisten unter Berücksichtigung der den Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen?
Methodik
Die Bachelor Thesis folgt einem qualitativen, explorativen Forschungsansatz. Zur empirischen Fundierung wurden sieben Interviews mit Fachpersonen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Beratung, Unternehmenspraxis und Forschung durchgeführt. Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte gezielt, um eine breite Perspektivenvielfalt abzubilden. Die Transkription der Interviews wurde vollständig vorgenommen, woraufhin eine strukturierte Inhaltsanalyse nach dem Modell von Kuckartz durchgeführt wurde. Dabei wurden sowohl deduktive Kategorien als auch induktiv gewonnene Aspekte berücksichtigt. Die Auswertung erfolgte mittels MAXQDA. Diese dienten im Anschluss als Grundlage für die Entwicklung Handlungsempfehlungen.
Ergebnisse
Die Ergebnisse der Interviewanalyse zeigen ein klares Bild: Eine verpflichtende Prüfung mit Limited Assurance wird von der grossen Mehrheit der befragten Expertinnen und Experten als derzeit sinnvollste Lösung angesehen. Diese Form der Prüfung wird als verhältnismässig, pragmatisch umsetzbar und ausreichend zur Steigerung der Glaubwürdigkeit beurteilt. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen wird Limited Assurance als praktikabler Ansatz gewertet, um einerseits den Prüfpflichten gerecht zu werden und andererseits keinen übermässigen Ressourcenaufwand zu generieren.
Demgegenüber wird eine flächendeckende Einführung von Reasonable Assurance derzeit als kaum umsetzbar eingeschätzt. Es fehlt sowohl auf Seiten der berichtspflichtigen Unternehmen als auch Prüfunternehmen an standardisierten Verfahren, ausreichender Datenqualität und personellen Ressourcen. Zudem wurde mehrfach betont, dass Stakeholder den Unterschied zwischen beiden Prüftiefen oft nicht erkennen, was den Zusatznutzen von Reasonable Assurance aus Sicht der Berichtsempfänger relativiert.
Handlungsempfehlungen
Auf Grundlage der theoretischen Erkenntnisse und der qualitativen Auswertung der Experteninterviews formuliert die Bachelorarbeit zwei konkrete Handlungsempfehlungen:
- Einführung einer verpflichtenden Limited Assurance als gesetzliche Mindestanforderung
Es wird empfohlen, für alle nach Art. 964a ff. VE-OR berichtspflichtigen Unternehmen eine obligatorische Prüfung mit Limited Assurance gesetzlich festzulegen. Diese Prüfvariante gewährleistet eine grundlegende Sicherung der Datenqualität bei gleichzeitig tragbarem Ressourcenaufwand. Sie wird von Unternehmen und Prüfstellen als verhältnismässig und durchführbar eingeschätzt und eignet sich daher als tragfähiger Standard für die schweizerische Umsetzung. - Verzicht auf die Einführung einer Reasonable Assurance
Aufgrund der hohen Anforderungen an Datenverfügbarkeit, Systemreife, Prüfstandards und Prüfkapazitäten wird eine flächendeckende Einführung der Reasonable Assurance abgelehnt. Die Interviews zeigen, dass eine solche Prüfungsintensität derzeit für die meisten Unternehmen nicht umsetzbar ist und auch keinen substanziellen Mehrwert in Bezug auf Glaubwürdigkeit oder Stakeholderwirkung generieren würde. Stattdessen würde sie zu unverhältnismässigen Mehrbelastungen führen, ohne die beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Aus diesem Grund wird empfohlen, bis auf Weiteres vollständig auf eine gesetzlich verpflichtende Reasonable Assurance zu verzichten. Davon ausgenommen sind grössere Publikumsgesellschaften, börsenkotierte Unternehmen, Gesellschaften mit hohem Risiko im Bereich Nachhaltigkeit.