Die (verzerrten?) Urteile der Konsumenten über den Kaloriengehalt von Lebensmitteln

Die (verzerrten?) Urteile der Konsumenten über den Kaloriengehalt von Lebensmitteln
Eine empirische Studie zu den Auswirkungen der Kennzeichnung von Lebensmitteln als vegan auf die von Konsumenten geschätzte Kalorienzahl.

Die Forschungsarbeit untersucht, welche Faktoren die Kalorienschätzung von Lebensmitteln aus Sicht der Konsumenten beeinflussen. Eine korrekte Einschätzung der Kalorienzahl von Lebensmitteln kann zu einer gesünderen Ernährungsweise beitragen und somit die Zunahme von Übergewicht und Adipositas in der Gesellschaft verhindern. Dies führt wiederum zu einer Reduktion der in diesem Zusammenhang gestiegenen Gesundheitskosten.

Das Ergebnis der Literaturanalyse zeigt, dass es eine Vielzahl an Faktoren gibt, die die Kalorienschätzung von Lebensmitteln aus Sicht der Konsumenten beeinflussen können. Grob werden vier Kategorien identifiziert: die Eigenschaften von Lebensmitteln, die sensorische Wahrnehmung der Konsumenten, die Eigenschaften der Konsumenten und die Umgebung, in der das Lebensmittel präsentiert wird.

Aktueller Stand der Literatur 2024

In Anlehnung an die Literatur bezüglich des Gesundheits-Halo-Effekts lässt sich ableiten, dass bestimmte Eigenschaften von Lebensmitteln dazu führen können, dass sie fälschlicherweise als gesünder wahrgenommen werden, als sie tatsächlich sind. So zeigen beispielsweise verschiedene Studien, dass umweltbezogene Labels, wie Fair Trade oder Bio, zu einer Unterschätzung der Kalorienzahl führen können. In diesem Zusammenhang konnte auch gezeigt werden, dass diese Unterschätzung bei Konsumenten mit einem hohen Umweltbewusstsein stärker ausgeprägt ist. Darüber hinaus zeigen verschiedene Studien, dass wenn ein Lebensmittel als ungesund wahrgenommen wird, Konsumenten häufig noch anfälliger für solche Halo-Effekte sind. Die geschätzte Kalorienzahl eines Lebensmittels beeinflusst wiederum andere Faktoren, wie z.B. die Lebensmittelauswahl der Konsumenten oder die Intention der Konsumenten bezüglich der Verzehrmenge eines Lebensmittels. Basierend auf den Ergebnissen der Literaturanalyse wurde für die empirische Studie das folgende Forschungsmodell abgeleitet:

Forschungsmodell

Vor dem Hintergrund des aktuellen Foodtrends «vegan» fokussiert sich die Forschungsarbeit konkret auf die Auswirkungen des veganen Labels (V-Label) auf die Kalorienschätzung eines gesunden sowie eines ungesunden Lebensmittels. Die Auswirkungen des veganen Labels auf die Kalorienschätzung sind bislang ein wenig erforschtes Thema. Diese Forschungsarbeit soll dazu beitragen, einen Teil dieser Forschungslücke zu schliessen. Dazu wurde ein randomisiertes Experiment durchgeführt, bei dem ein 2x2-faktorielles Between-Subjects-Design verwendet wurde (Produktattribut vegan anwesend vs. abwesend x Kategorisierung des Lebensmittels als ungesund vs. gesund).

Experimentalgruppen

Als Erhebungsinstrument diente ein Online-Fragebogen. Insgesamt nahmen 271 Personen aus der Schweiz an der Befragung teil.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie zeigen keine signifikanten Effekte in Bezug auf die zu Beginn aufgestellten Hypothesen. Aus gesundheitlicher Sicht positiv zu bewerten ist das Ergebnis, dass das Vorhandensein des V-Labels nicht zu einer Verzerrung der Kalorieneinschätzung führt. Konsumenten sollten sich jedoch immer bewusst sein, dass ihre Wahrnehmung der Kalorienzahl eines Lebensmittels von vielen anderen Faktoren beeinflusst wird. Möglicherweise könnte eine frühzeitige Sensibilisierung für die Verzerrung der Kalorienzahl von Lebensmitteln durch konkrete Schulungen, z.B. im Fach Hauswirtschaft in Grundschulen, diesem Problem entgegenwirken. Darüber hinaus könnte die Politik durch einheitliche Vorgaben für Verpackungen und Kennzeichnungen mögliche Verzerrungsfaktoren und daraus resultierende gesundheitliche Halo-Effekte eliminieren. Für die körperliche Gesundheit und Fitness der Konsumenten ist es wichtig, dass sie ihre eigenen Heuristiken bei der Bewertung von Lebensmitteln von Zeit zu Zeit kritisch hinterfragen und mit dem tatsächlichen Kaloriengehalt der Lebensmittel abgleichen.